Behandlungstechniken:

In den letzten Jahrzehnten sind speziell für die Behandlung von Traumafolgestörungen zahlreiche wirkungsvolle Techniken entwickelt worden, von denen ich Ihnen drei verschiedene Möglichkeiten, die auch gut miteinander kombinierbar sind, anbieten kann. Diese möchte ich Ihnen nun vorstellen:

Beginnen werde ich mit der Bildschirmtechnik, da man anhand dieses Verfahrens sehr gut verdeutlichen kann, worauf es bei Traumatherapie ankommt und wie man die Lücke im biographischen Gedächtnis schließen kann:

Das problematische Ereignis wird in der Vorstellung als Film auf einem Bildschirm oder einer Leinwand abgespielt. Die Patientin/der Patient stellt sich dazu vor eine Fernbedienung in der Hand zu halten, mit der er den Film starten oder stoppen, vor- oder zurückspulen oder andere Einstellungen wie Ton, Schärfe oder Farbe verändern kann. Damit wird von Anfang an deutlich gemacht: das was auf dem Bildschirm wiedergegeben wird ist ein Film; der ist bereits gedreht worden und wird jetzt nur noch einmal abgespielt. Das was man sieht ist bereits vergangen. Sie/er schildert der Therapeutin/dem Therapeuten nun die Ereignisse auf dem Bildschirm so wie sie sich der Reihenfolge nach ereignen. Dabei ist sie/er kein Icherzähler, sondern sie/er spricht von sich in der Dritten Person - z.B. ein Mann der so aussieht wie ich und in meinem Alter ist, fährt gerade mit dem Auto auf der Bundesstrasse. Durch diese Modifikation wird nochmals unterstrichen, dass es sich um ein vergangenes Erlebnis handelt, das nicht mir in der Gegenwart, sondern einem Teil von mir widerfahren ist, der in der Vergangenheit lebendig war und der ich jetzt nicht mehr bin. 

Der Film wird an wichtigen Stellen immer wieder angehalten. Zusammen  mit der Therapeutin/dem Therapeuten wird nun genau analysiert, was die Patientin/der Patient in diesem Moment erlebt und denkt und wie es gerade der Hauptdarstellerin, bzw. dem Hauptdarsteller ergeht. Damit wird den durch das Betrachten angeregten Gefühlen und Gedanken - den Erinnerungsfetzen - eine Szene des Films zugeordnet, sie werden so Stück für Stück im Archivordner des biographischen Gedächtnisses, der zu diesem Ereignis gehört, abgelegt und werden Zug um Zug zu einem in sich zusammenhängenden Erinnerungsbild. So bekommt alles nach und nach einen klaren inneren Bezug und damit einen Platz in unserer persönlichen Geschichte. Dadurch wissen und spüren wir auf einmal: es ist wirklich vorbei! Wir können endlich den Notfallmodus verlassen und wieder richtig in der Gegenwart sein.

Interessant ist dabei auch, dass es nicht notwendig ist, dass das was im Film geschieht genau den Tatsachen entspricht. Solange es zu den Inneren Zuständen und Erinnerungsfetzen die verfügbar sind passt, genügt es, um einen biographischen Inhalt zu erzeugen. Es ist wie ein Schloss zu dem es mehrere Schlüssel gibt, die sich zwar ähnlich, aber die nicht identisch sein müssen. So kann man auch gut Erinnerungen bearbeiten, in denen Phasen der Bewusstlosigkeit vorkommen.

Eines der am längsten erprobten und beforschten Traumatherapieverfahren nennt sich EMDR (für diejenigen, die Abkürzungen nicht so gerne mögen: Eye Movement Desensitation and Reprocessing) und arbeitet ähnlich wie die Bildschirmtechnik mit Erinnerungsbildern. Aber im Unterschied zur Bildschirmtechnik läßt man sich alle inneren Zustände, Bilder und Gedanken zu einer Belastungserinnerung, die man zuvor genau analysiert hat, spontan entwickeln und weiterlaufen. Währenddessen wird die Patientin/der Patient von der Therapeuten/dem Therapeuten dadurch unterstützt, dass dieser über schnelle Fingerbewegungen, denen die Patientin/der Patient folgen soll, schnelles abwechselndes Klopfen auf Oberschenkel oder eine schnell von links auf rechts wechselndes Geräusch über Kopfhörer kontinuierlich beide Gehirnhälften stimuliert. Wie genau dies dabei hilft, Belastungserfahrungen neu zu ordnen, ist unklar, wahrscheinlich werden, wie so oft, mehrere Faktoren gleichzeitig eine Rolle spielen, aber möglicherweise die Stimulation hilft dabei, dass sich aus den Erinnerungsbruchstücken und der Aktivierung des Notfallgedächtnisses Stück für Stück im Gehirn eine biographische Erinnerung herausbildet und verhindert wird, dass die Patientin/der Patient aus dem Gegenwartsmodus rutscht. Es ist immer wieder aufs Neue verblüffend, wie rasch mithilfe dieser Technik anfangs kaum aushaltbar erscheinende Erinnerungen zu innerer Vergangenheit werden können. Ein Bild, in dem man sich zu Beginn noch gefangen fühlte, wird auf einmal zu einem Bild in der Ferne, dessen Einzelheiten man kaum noch erkennen kann und das einen lange nicht mehr so stark berührt. Das ist wie die Rückmeldung des Archivars im biographischen Gedächtnis: die Akte ist angekommen und am richtigen Ort abgelegt.

Die Bildschirmtechnik und EMDR eignen sich besonders gut für die Behandlung von  Typ I - Traumafolgestörungen.

Zur Behandlung komplexer Traumafolgestörungen setze ich besonders  gerne die Katathym Imaginative Psychotraumatherapie (KIPT) ein:


Da uns im Leben nur selten Dinge in Reinform begegnen, finden wir bei Traumafolgestörungen zumeist Mischbilder, oft begleitet von Depressionen, Angststörungen oder psychosomatischen Beschwerden. Bei der Behandlungsplanung wird dann gemeinsam entschieden, welcher Behandlungszugang am geeignetsten ist, bzw. in welcher Reihenfolge die verschiedenen Verfahren am besten zum Einsatz kommen sollen.